Nach einer Operation kann die Wunde infizieren. Das führt zu Rehospitalisationen, zusätzlichen medizinischen Untersuchungen und Mehrkosten für das Gesundheitssystem. Die Quote solcher postoperativen Wundinfektionen – also die Häufigkeit, mit der sie auftreten – ist ein Indikator für die Behandlungsqualität eines Spitals.
In der Schweiz wird diese Quote mit den Methoden von Swissnoso gemessen, dem Nationalen Zentrum für Infektionsprävention. Es werden nur ausgewählte Operationen erfasst. Gezählt werden Infektionen, die innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingriff an der Operationsstelle auftreten. Bei Operationen mit einem Implantat gelten längere Fristen (Details siehe entsprechende Grafiken).
Die folgenden Grafiken zeigen für die betrachteten Operationen die Quote der Lindenhofgruppe und die Durchschnittsquote der Schweiz. Dargestellt werden die letzten drei bis vier Messungen. Die Zahlen für das Jahr 2023 werden erst im November 2024 publiziert. Die Ergebnisse aller Spitäler, die an den Messungen teilnehmen, sind unter diesem Link verfügbar.
Grafik 1 zeigt die Infektionsraten nach Dickdarmoperationen. 2022 hatten in der Lindenhofgruppe 12,8% der Patientinnen und Patienten eine Infektion der Wunde.
Grafik 2 zeigt die Infektionsraten nach Rektumoperationen. 2022 hatten in der Lindenhofgruppe 13,3% der Patientinnen und Patienten eine Infektion der Wunde.
Grafik 3 zeigt die Infektionsraten nach Magenbypass-Operationen. 2022 hatten in der Lindenhofgruppe 3,7% der Patientinnen und Patienten eine Infektion der Wunde.
Grafik 4 zeigt die Infektionsraten nach einer Gebärmutterentfernung. 2022 hatten 3,3% der Patientinnen eine Infektion der Wunde.
Grafik 5 zeigt die Infektionsraten bei Operationen an der Wirbelsäule. 2022 erlitten 0,8% der Patientinnen und Patienten eine Infektion der Wunde.
2021 und 2022 wurden bei Operationen an der Wirbelsäule mit Implantat in der Lindenhofgruppe keine Infektionen festgestellt.
Bis zum 30. September 2021 wurde das Auftreten von Infektionen jeweils über ein Jahr hinweg beobachtet. Seither liegt der Beobachtungszeitraum bei drei Monaten.
Grafik 6 zeigt die Infektionsraten bei Operationen an Hüftgelenken. 2021 und 2022 erlitten 0,2% der Patientinnen und Patienten eine Infektion der Wunde.
Bis zum 30. September 2021 wurde das Auftreten von Infektionen jeweils über ein Jahr hinweg beobachtet. Seither liegt der Beobachtungszeitraum bei drei Monaten. Ebenfalls bis zum 30. September 2021 wurden alle Infektionen gezählt, auch wenn nur die Naht infiziert war. Seither werden nur Infektionen gezählt, wenn die Prothese infiziert ist.
Grafik 7 zeigt die Infektionsraten bei Kniegelenkoperationen. 2021 und 2022 sind keine Infektionen aufgetreten.
Bis zum 30. September 2021 wurde das Auftreten von Infektionen jeweils über ein Jahr hinweg beobachtet. Seither liegt der Beobachtungszeitraum bei drei Monaten. Ebenfalls bis zum 30. September 2021 wurden alle Infektionen gezählt, auch wenn nur die Naht infiziert war. Seither werden nur Infektionen gezählt, wenn die Prothese infiziert ist.
Operation, Bestrahlung, Chemotherapie oder eine Kombi davon? Am Tumorboard besprechen Fachpersonen verschiedener Professionen, welche Therapie bei einer Krebserkrankung angezeigt ist. Radio-Onkologin Ruth Gräter und die Onkologinnen Christa Baumann und Sabine Bühler erklären, wie das Tumorboard funktioniert.
In wenigen Worten: Was ist ein
Tumorboard?
Baumann: Am Tumorboard besprechen Spezialistinnen und Spezialisten die Krebssituation von Patientinnen und Patienten – ohne dass Letztere dabei sind. Jeder Fall wird aus unterschiedlichen Perspektiven reflektiert, um die beste Therapieempfehlung zu finden.
Jede Krebserkrankung hat ihre
individuelle Ausprägung. Bedeutet das, dass je nach Krebsart unterschiedliche
Fachdisziplinen an «Board» sind?
Bühler: Ja. Immer dabei sind Ärztinnen und
Ärzte der jeweiligen Fachdisziplin. Ebenso eine Onkologin bzw. ein Onkologe und
ein Radio-Onkologe bzw. Radio-Onkologin, weil wir die Spezialistinnen und
Spezialisten für Krebs sind. Meist ist auch eine Pflegefachperson mit
Zusatzausbildung dabei, eine Onco Care Nurse. Hinzu kommen je nach Krebsfall andere
Fachpersonen.
Haben die verschiedenen Disziplinen
spezifische Rollen?
Baumann: Alle bringen
ihre Expertise ein. Ich nenne einige Beispiele: Der Radiologe erläutert die Röntgenbilder,
die Chirurgin operative Möglichkeiten, die Pathologin die Charaktereigenschaften
des Tumors, der Strahlenarzt die Bestrahlungsmöglichkeiten, die Onkologin die
denkbaren medikamentösen Therapien.
Wie viele Tumorboards gibt es in der
Lindenhofgruppe?
Gräter: Acht. Jedes Tumorboard befasst sich mit
einer spezifischen Krebsart. An den Meetings nehmen bis zu zwanzig Personen
teil, meist werden mehrere Fälle besprochen.
Nehmen Sie uns mit in eine
Fallbesprechung: Wie läuft sie ab?
Bühler: Die behandelnde Ärztin stellt die
onkologische, die medizinische und die menschliche Situation des Patienten vor
und formuliert die Fragen, die im Gremium besprochen werden sollen. Dann werden
Fakten gesammelt: Röntgenbilder vorgestellt und diskutiert, Pathologieresultate
erläutert usw. Schliesslich erörtern wir – basierend auf den neuesten
wissenschaftlichen Erkenntnissen – die Therapiemöglichkeiten und einigen uns
auf einen Vorschlag. Zu jedem Fall gibt es ein Beschlussprotokoll.
Wie entscheiden Sie, welches
Behandlungskonzept das wirksamste ist?
Baumann: Wir sind ein Expertengremium, das sich permanent
weiterbildet. Unsere Empfehlungen sind evidenzbasiert und orientieren sich an
internationalen Richtlinien und Standards. Entscheidend ist, dass wir die
richtige Beurteilung machen. Deshalb müssen am Tumorboard die richtigen Fragen
gestellt werden. Das bedingt, dass die fallführende Person die Vorstellung des
Patienten bzw. der Patientin gut vorbereitet.
Sind Sie sich bezüglich
Therapievorschlag immer einig?
Gräter: In 90 Prozent aller Fälle. Aber
manchmal ist die medizinische Sachlage nicht eindeutig, sodass mehrere Ansätze gleichwertig
scheinen. Dann geben wir zwei Vorschläge ab. Oder wir verlangen, dass vor der
Beschlussfassung weitere Abklärungen getroffen werden.
Profitieren alle Krebspatientinnen und -patienten
vom Tumorboard?
Gräter: Ja, jede Patientin, jeder Patient mit einer Krebserkrankung wird
aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive beleuchtet und reflektiert. Die
Tumorboards ermöglichen eine fundierte Analyse und stellen sicher, dass keine
relevante Frage ausser Acht gelassen wird. Kurz: Die Tumorboards erhöhen die
Sicherheit für die Patientinnen und Patienten und stärken das Vertrauen in
unsere Therapieempfehlungen.
Wie stellen Sie sicher, dass die
Betroffenen die Empfehlung des Tumorboards verstehen – also gut informiert die
für sie richtige Entscheidung treffen können?
Gräter: Die Information der Patientin, des Patienten ist immer Sache der fallführenden Ärztin bzw. des fallführenden Arztes. Das dürfen wir nicht delegieren. Dabei sollten wir immer im Auge behalten: Vor uns sitzt ein Mensch, kein Tumor. Unsere Unterstützung ist dann am wirksamsten, wenn die Selbstwirksamkeit der Betroffenen zum Tragen kommt.
Baumann: Ich lege die Diskussionen des Tumorboards transparent offen. Die Patientinnen und Patienten sollen wissen, dass wir ihren Fall umfassend, vielleicht auch kontrovers erörtert haben. Ich übersetze die Inhalte in eine verständliche Sprache. Das schafft Vertrauen. Wir müssen auch Ängste auffangen – dabei ist Schweigen und Zuhören zentraler als Reden.
Bühler: Wichtig ist, den Menschen abzuholen. Wo steht er im Moment? Was beschäftigt ihn? Danach kann ich offen und transparent über die Diskussion im Tumorboard informieren.
An wen sollen sich Krebspatientinnen und
-patienten bei Fragen und Unsicherheiten wenden?
Baumann: Erste Anlaufstelle ist die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt, je nach Frage können es auch weitere Spezialistinnen und Spezialisten wie Onco Care Nurses sein – oder sogar die Coiffeuse bzw. der Coiffeur, wenn es um einen möglichen Haarausfall geht.
Was ist Ihr wichtigster Grundsatz in der
Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten?
Gräter: Ich möchte die Patientinnen und Patienten fachlich so umfassend wie möglich informieren und sie auf menschlicher Ebene gut begleiten, sodass alle den für sie besten Therapieentscheid fällen können.
Baumann: Ich möchte Medizin und Mensch zusammenbringen. Das bedeutet: fachlich kompetent beraten und gleichzeitig den betroffenen Menschen mit seinem ganzen Wesen ins Zentrum stellen. Mich beeindruckt die Kompetenz unserer Patientinnen und Patienten.
Bühler: Ich versuche, jeden Menschen in seiner Eigenheit und individuellen
Situation zu verstehen, um herauszufinden, was er auf seinem Weg braucht und wie
ich ihn fachlich und menschlich unterstützen kann. Dabei begleite ich die
Patientinnen und Patienten sehr gerne.
Die Lindenhofgruppe leistet mit ihrer hochspezialisierten Medizin (HSM) einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung der Berner Bevölkerung. Was bedeutet HSM in der Praxis? Die beiden Viszeralchirurgen Igor Langer und Daniel Giachino erklären.
Die Lindenhofgruppe hat in der HSM interkantonale
Leistungsaufträge für die «Tiefe Rektumsektion» (Entfernung eines Teils des Enddarms
bei Krebs) und die «Bariatrische Chirurgie» (Magenverkleinerung bei
Fettleibigkeit). Was bedeutet das?
Giachino: Die Kantone nehmen für die HSM eine
gesamtschweizerische Planung vor und haben vor einigen Jahren entschieden,
diese auf wenige Zentren zu konzentrieren. Die Lindenhofgruppe hat in den
genannten Bereichen den Zuschlag erhalten.
Was bringt diese Konzentration?
Langer: Durch die Konzentration auf wenige Zentren
steigt die Qualität der Leistung, sinken die Kosten und das
Innovationspotenzial kann besser ausgeschöpft werden.
Warum ist die Qualität in einem Kompetenzzentrum
höher?
Langer: Die Routine ist der zentrale Faktor. Das gilt sowohl für die
operierenden Chirurginnen und Chirurgen wie für das gesamte Team – von der
Abklärung bis zur Nachsorge. Um Routine in der eigenen Disziplin und in der
interprofessionellen Zusammenarbeit zu entwickeln, braucht es entsprechend hohe
Fallzahlen. Das ist bei der Konzentration auf wenige Zentren der Fall.
Giachino: Ein zweiter wichtiger Faktor ist, dass
Kompetenzzentren wie jene der Lindenhofgruppe eine technische Infrastruktur
bereitstellen, die auf dem neuesten Stand ist und rund um die Uhr zur Verfügung
steht. Routine und moderne Infrastruktur ermöglichen Exzellenz.
Herr Giachino, Sie führen Operationen am
tiefen Rektum durch. Das heisst: Sie entfernen bei Krebs einen Teil des
Dickdarms. Worin besteht die Komplexität?
Giachino: Der Eingriff erfolgt in einem Bereich mit sehr engen
Raumverhältnissen und vielen angrenzenden Organen. Die Herausforderung besteht
darin, keine anderen Organe zu verletzen. Das setzt die erwähnte Erfahrung und schonende
Operationstechniken voraus, beispielsweise Robotik. Bei der Rektum-Chirurgie sind
auch die Vorbereitung mit Bestrahlungen, Chemotherapien und andere Methoden wichtig.
Ist bei Rektum-Krebs immer ein
operativer Eingriff erforderlich?
Giachino: Die
Entwicklung geht dahin, dass bei 25 bis 50 Prozent der Patientinnen und
Patienten der Eingriff künftig mithilfe von Therapien hinausgezögert werden
kann. Bei einer kleinen Gruppe dürfte es sogar möglich sein, ganz auf eine
Operation zu verzichten.
Auf welcher Grundlage entscheiden Sie,
ob eine Operation erforderlich ist?
Giachino: Entscheidend ist das Stadium, in dem sich der Tumor befindet. Wir
orientieren uns an internationalen Vorgaben. So oder so wird jeder Fall am
Tumorboard besprochen. Daran nehmen Fachleute unterschiedlicher Disziplinen und
Professionen teil. Unsere Empfehlung besprechen wir mit der Patientin bzw. dem
Patienten.
Mit welchen Einschränkungen müssen
Betroffene nach der Behandlung rechnen, wie sieht die Nachbehandlung aus, wie steht
es um das Rückfallrisiko?
Giachino: Die Kontrolle
des Stuhlgangs ist nach dem Eingriff häufig beeinträchtigt. Bleibende Schmerzen
sind dagegen selten. Rund 50 Prozent der Patientinnen und Patienten erleiden
keinen Rückfall, bei den anderen kann unter Umständen eine zweite Operation helfen.
Was die Nachbehandlung betrifft: Einige Patientinnen und Patienten brauchen
keine, andere benötigen eine Chemotherapie oder – in seltenen Fällen – eine
Bestrahlung.
Herr Langer, Sie behandeln mit bariatrischen
Operationen krankhafte Fettleibigkeit. Wer kommt für einen solchen Eingriff infrage?
Langer: Menschen mit einem Body-Mass-Index von 35 und mehr –
vorausgesetzt, sie haben mindestens zwei Jahre versucht, mit konventionellen Methoden
ihr Gewicht zu reduzieren. Wir operieren in der Regel Menschen zwischen 18 und
65 Jahren, jüngere und ältere nur unter gewissen Voraussetzungen.
Worin besteht der operative Eingriff?
Langer: In der Lindenhofgruppe führen wir in
den allermeisten Fällen Magenbypass- oder Schlauchmagen-Operationen durch.
Spezialeingriffe kommen nur in besonderen Fällen wie bei extremem Übergewicht
zum Zug. Der Magenbypass-Eingriff ist anspruchsvoller, erzielt aber die
deutlich besseren Resultate. Deshalb empfehlen wir , wo möglich ,
diesen Eingriff. Dabei wird – vereinfacht gesagt – der Magen verkleinert und
die Dünndarmpassage verkürzt. Das Hungergefühl verschwindet und der Magen kann
weniger Nahrung aufnehmen.
Worin besteht bei der
Magenbypass-Operation die Komplexität?
Langer: Menschen mit 35
Kilo Übergewicht und mehr haben meist eine massiv vergrösserte Leber. Sie liegt
direkt über dem Magen und erschwert damit den operativen Zugriff. Zudem haben
übergewichtige Menschen oft Begleiterkrankungen und somit ein höheres Risiko
bezüglich Lungenembolie, Herzinfarkt usw. Vor der Operation treffen wir daher
medizinische und psychologische Abklärungen. Zudem verlangen wir, dass die Betroffenen
in den drei Monaten vor dem Eingriff mithilfe der Ernährungsberatung ihr
Gewicht reduzieren, damit sich die Leber verkleinert und das Operationsrisiko
sinkt.
Wie lange dauert der Spitalaufenthalt,
wie sieht die anschliessende Therapie aus?
Langer: 95 Prozent der
Patientinnen und Patienten sind am zweiten Tag nach der Operation wieder zu
Hause. In den ersten zwei Wochen essen sie etwa vier Kaffeelöffel Brei, nach
sechs Monaten erreichen sie die neue Normalität, das heisst: Sie essen die
Hälfte dessen, was sie üblicherweise gegessen haben – also etwa so viel, wie ein
gesunder Mensch normalerweise zu sich nimmt. Die Nachbetreuung besteht in
Ernährungsberatung und regelmässigen Bluttests, weil Vitamin- und Eisenmangel auftreten
können.
Welche Erfolgsaussichten verspricht die
Magenbypass-Operation?
Langer: 80 Prozent der
Operierten halten dauerhaft ein Normalgewicht, 20 Prozent nehmen wieder zu, wenn
auch weniger stark als zuvor. Häufigste Ursache dafür ist, dass sich die
Verbindung zwischen Magen und Dünndarm erweitert. Die Betroffenen haben wieder
Hunger und können mehr essen. Das Problem kann mit einem kleineren Eingriff behoben
werden.
Wie wirkt sich die Operation auf die Lebensqualität
und die Lebenserwartung aus?
Langer: Die
Lebenserwartung normalisiert sich bzw. steigt um rund zwanzig Jahre. Diese
Lebenszeit würden diese Patienten verlieren, wenn sie dauerhaft so viel
Übergewicht hätten. Zudem steigt die Lebensqualität in einem Mass, das von
keinem anderen chirurgischen Eingriff erzielt wird. Ich habe noch niemanden
getroffen, die oder der den Eingriff ernsthaft bereut hätte.
In der hochspezialisierten Viszeralchirurgie
der Lindenhofgruppe sind folgende Fachärzte tätig:
Essen als Therapie? Ja. Beispielsweise nach einer Magenentfernung oder nach einer Krebserkrankung im Verdauungstrakt. In solchen Situationen ist das Know-how der Ernährungsberaterinnen und -berater unverzichtbar. Ihre Arbeit verrichten sie im engen Austausch mit zahlreichen Fachdisziplinen.
Nach einer Magenentfernung muss ein Patient wieder essen lernen. Was es dazu braucht, erklärt Ernährungsberaterin Cécile Schwab weiter unten im Interview. Auch der Patientin mit Bauchfellmetastase fällt das Essen nach der Operation schwer. Mehr noch: Es macht ihr schlicht keinen Spass – umso mehr, weil sie an diversen Lebensmittelunverträglichkeiten leidet. In einem zweiten Interview erklärt Ernährungsberaterin Ursula Spillmann, wie die Patientin die Freude am Essen wiedergefunden hat.
Die Ernährungsberaterinnen und -berater entwickeln ihre Therapien im interdisziplinären Dialog mit verschiedenen Fachdisziplinen und den Betroffenen. Die medizinischen Aspekte besprechen sie mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt. Zentral ist die enge Zusammenarbeit mit der Küche: Welche diätetischen Vorgaben müssen eingehalten werden, wie können die Essensvorlieben der Patientinnen und Patienten berücksichtigt werden usw.? Schliesslich spielen die Pflege und die Hotellerie eine wichtige Rolle. Sie geben wichtige Hinweise darüber, wie die Patientinnen und Patienten auf die Therapie reagieren.
Nach einer Magenentfernung muss Patient P. G. rund vier Monate im Spital bleiben. Ernährungsberaterin Cécile Schwab begleitet ihn während dieser Zeit. Im Gespräch erklärt sie, welche Rolle die Ernährungsberatung nach einem solchen Eingriff spielt.
Frau Schwab, Sie haben einen Patienten begleitet, bei dem der Magen entfernt wurde und mehrere Nachoperationen nötig waren. Wie hat sich das auf seine Ernährung ausgewirkt?
Der Patient konnte in einer ersten Phase aufgrund einer Verengung der Speiseröhre, der fehlenden Reservoirfunktion des Magens und Inappetenz nicht ausreichend Nahrung zu sich nehmen. Wir mussten ihn daher während mehrerer Wochen künstlich ernähren. Er konnte nur geringe Mengen zuerst flüssige und im Verlauf pürierte Nahrung essen. Häufige kleine Mahlzeiten sind wichtig, um kein übermässiges Völlegefühl auszulösen. Zudem soll in der ersten Zeit nicht zu den Mahlzeiten getrunken werden.
Welche Rolle hatten Sie als Ernährungsberaterin in dieser Situation?
Ich stand in regelmässigem Austausch mit dem behandelnden Arzt betreffend der Organisation der künstlichen und der oralen (über den Mund aufgenommene) Ernährung. Beim Übergang zur festen Nahrung bestand meine Aufgabe darin, gemeinsam mit dem Patienten geeignete Menüs zusammenzustellen, obwohl weder Appetit noch Freude am Essen vorhanden waren, was eine grosse Herausforderung für alle Beteiligten war.
Wie gehen Sie bei der Erarbeitung der Ernährungsinterventionen vor?
Am Anfang steht das Assessment – die systematische Erfassung der Patientensituation. Ich studiere die Krankengeschichte und den Verlauf sowie die ärztlichen und die medikamentösen Verordnungen. Kurz: Ich verschaffe mir ein Bild über den aktuellen Ernährungszustand und die Krankheitssituation. Um den passenden Plan für die künstliche Ernährung zu entwickeln, benötige ich auch gewisse Laborparameter. So kann ich bestimmen, wie schnell wir die Menge der künstlichen Ernährung pro Tag steigern können. Zudem spielen die persönliche Situation des Patienten sowie seine Vorlieben, das allgemeine Prozedere und ethische Überlegungen in die Entscheidungsfindung und Ernährungsintervention hinein.
Patient P. G. wurde während der verschiedenen Operationen von Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachdisziplinen, von Pflegefachpersonen, Beraterinnen und Therapeuten begleitet. Wie wichtig ist da die interprofessionelle Zusammenarbeit?
Sie ist zentral. Es braucht eine gute Strategie und ein über alle Berufsgruppen abgestimmtes Vorgehen.
Welche Schnittstellen sind für Sie als Ernährungsberaterin besonders wichtig?
Einerseits der Austausch mit den Pflegefachpersonen – sie haben regelmässig Kontakt mit den Patientinnen und Patienten und können die aktuelle Situation gut einschätzen. Andererseits die Kommunikation mit den Mitarbeitenden der Hotellerie sowie der Diätküche und den Ärztinnen und Ärzten. Ich suche wann immer möglich den persönlichen Kontakt mit ihnen.
Hat sich Herr P. G. zur Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen geäussert?
Ja. Das Gefühl, dass alle am selben Strang ziehen, gab ihm Sicherheit. Er hat aber auch vieles hinterfragt. Für uns ist es wichtig, dass sich die Patientinnen und Patienten einbringen. So können wir unsere Arbeit besser auf sie ausrichten.
Wie lange war Herr P. G. bei Ihnen in Behandlung?
Sein Spitalaufenthalt dauerte rund vier Monate. Danach konnte er in eine Reha-Klinik wechseln
Tumor, Peritonealkarzinose (Bauchfellmetastasen), Aszites, Gluten- und Laktoseunverträglichkeit: Frau P. D. leidet an Appetitlosigkeit und starkem Gewichtsverlust. Mithilfe von Ernährungsberaterin Ursula Spillmann gewinnt sie Freude am Essen zurück.
Frau Spillmann, in welchem Zustand haben Sie die Patientin beim Erstkontakt angetroffen?
Durch die tumorbedingte Mangelernährung war sie kraftlos, abgemagert, fragil und hatte weder Appetit noch Freude am Essen. Rein physiologisch wäre eine weitgehend normale Nahrungsaufnahme jedoch möglich gewesen.
Was hat diesen Zustand verursacht?
Die Tumorerkrankung führte zu Appetitlosigkeit. Die Peritonealkarzinose und die Aszites (Bauchwasser) verstärken dies, weil sowohl der Tumor als auch das Wasser mehr Platz beanspruchen. Entsprechend sind Magen und Darm eingeengt. Die Folgen davon sind Unwohlsein, Verdauungsbeschwerden, Appetitminderung etc. Zusätzlich litt die Patientin an Übelkeit. Zudem schränkte eine Gluten- und Laktoseunverträglichkeit die Lebensmittelauswahl stark ein. Kurz: Essen war für sie mehr Last als Lust. Ziel unserer Therapie war, den Ernährungszustand und damit den Allgemeinzustand zu verbessern.
Wie sind Sie vorgegangen?
In Absprache mit dem behandelnden Arzt haben wir die Patientin künstlich ernährt, um sie wieder aufzubauen. Parallel dazu nahm sie kleine Portionen fester Nahrung zu sich. Diese Kombination war psychologisch wichtig: Durch die künstliche Ernährung war der Grundbedarf gedeckt. Die Patientin musste also nicht essen, sie durfte. Das hat ihr Druck weggenommen.
Wie hat die Therapie angeschlagen?
Gut, der Allgemeinzustand verbesserte sich. Deshalb konnten medikamentöse Tumortherapien im späteren Verlauf wieder aufgenommen werden. Frau P. D. konnte Muskelmasse und Kraft aufbauen und fühlte sich allgemein besser. Allerdings braucht es immer auch die Bereitschaft der Patientin, des Patienten, den vorgeschlagenen Weg zu gehen. Frau P. D. durfte innerhalb weniger Tage feststellen, dass es ihr besser geht und dass sie wieder zu Kräften kommt. Das hat ihr Vertrauen in die Therapie gestärkt.
Was hat die Patientin in der ersten Zeit gegessen?
Sie durfte grundsätzlich alles essen. Ihr Partner hat des Öftern etwas mitgebracht und mit ihr gemeinsam gegessen. Das hat Frau P. D. zusätzlich motiviert.
Wie lange war die Patientin im Spital? Und: Wurde sie danach von Ihnen weiterbegleitet?
Rund einen Monat, fast die Hälfte davon mit künstlicher Ernährung. Danach konnte sie das Spital in verbessertem Zustand verlassen, eine Nachbetreuung war nicht notwendig. Empfehlungen für eine energie- und proteinreiche Ernährung zu Hause haben wir vor Spitalaustritt besprochen.
Wie hat sich Frau P. D. über die Therapie und die Begleitung im Lindenhofspital geäussert?
Sie fühlte sich gut aufgehoben und informiert. Hilfreich war für sie das Vorgehen in kleinen Schritten und die klare Information zu den Etappenzielen. Frau P. D. ist während des Spitalaufenthalts wieder zu Kräften gekommen und hat sowohl die Freude am Essen als auch ihre Lebensfreude wiedergefunden.
Welches sind – nebst Fachkompetenz – die wichtigsten Skills einer Ernährungsberaterin?
Empathie, Kreativität und die Fähigkeit, Menschen zu motivieren. Anhand wissenschaftlicher Literatur / Guidelines unter Berücksichtigung der individuellen Situation (Soziales, Labor, Diagnosen, Medikation) beurteilen wir, welche Ernährungsstrategie geeignet ist, und besprechen diese mit den Patientinnen und Patienten.